… diejenigen, die bei Fragen, bei denen Empathie und Vernunft nur eine Antwort zulassen, nicht sicher sind, weil bei ihnen das in jedem Menschen vorhandene Gute verschüttet ist unter einem Berg von Vorurteilen, egozentrischen Weltbildern, Gerüchten und anderen BILD-Schlagzeilen, können sich jederzeit an der Frage orientieren: „Empfände ich es als gerecht, wenn ich davon betroffen wäre?“
Wer zum Beispiel letzte Woche als Politiker entscheiden musste, ob er der mit Tierquälerei gleichzusetzenden Kastenstandhaltung für Schweine auch für die nächsten acht Jahre zustimmt oder nicht, der hätte sich – sofern die einzig richtige Antwort für ihn nicht selbstverständlich ist – nur fragen müssen: „Empfände ich es als gerecht, wenn ich, ohne jemandem etwas getan zu haben, in einem Metallkäfig eingesperrt wäre, in dem es so eng ist, dass ich mich im Liegen nicht einmal ausstrecken kann?“
Wer als Politiker entscheiden muss, ob er der betäubungslosen Ferkelkastration zustimmt oder nicht, käme spätestens dann auf die richtige Antwort, wenn er sich die Frage stellte: „Wäre ich als Elternteil damit einverstanden, wenn eine andere Spezies meinen gerade geborenen respektive bis zu sieben Tage alten Jungen ohne Betäubung kastriert, weil er ansonsten beim Aufwachsen naturgemäß männliche Geschlechtshormone produziert und der anderen Spezies, nachdem sie mein Kind getötet hat, deswegen dessen Fleisch manchmal weniger schmeckt?“
Ein folgenschwerer Irrtum besteht bei vielen Menschen in der Ansicht, dass Mitgefühl allenfalls den Angehörigen der eigenen Gattung zuteilwerden sollte. Die zugrundeliegende Meinung, dass Menschen per se klüger wären als Tiere, ist allein mit den Zuschauern von Reality-Shows widerlegt.
Und die Tatsache, dass es so viele Menschen als rechtens empfanden, Mitmenschen wegen deren schwarzer Haut oder jüdischen Glaubens zu verfolgen und zu ermorden, beruhte darauf, dass diesen Mitmenschen das Recht auf körperliche Unversehrtheit abgesprochen wurde, nachdem man sie auf eine – vermeintlich niedere – Stufe mit Tieren gestellt hatte.
Lebewesen dürfen nicht zur Kastenstandhaltung verurteilt werden, nur weil sowohl das Weltbild als auch das Mitgefühl vieler Menschen genauso begrenzt ist wie ein Kastenstand.