Gunnar Schade – Satire-Blog Über Gunnar Schade

12.05.2021

Für Journalisten, Spiegel Online, die sich weniger dem Pressekodex als vielmehr einer möglichst hohen Reichweite verpflichtet fühlen, ist es natürlich erstrebenswert, dass eine Überschrift die Leserinnen und Leser nicht nur über den Inhalt des Artikels informiert und zum Lesen desselben animiert, sondern auch mit einer einzigen Zeile deren Weltbild bestätigt.

Deswegen gibt es auf Spiegel Online so häufig Überschriften à la „Israel greift Gaza an“ oder „Israel bombardiert Gaza“ – und, wenn überhaupt, erst in der letzten Artikelzeile steht in einem Nebensatz, dass die radikalislamische Terrororganisation Hamas zuvor Hunderte Raketen auf Israel abgefeuert hat.

Nur diejenigen, die auch andere Nachrichtenseiten lesen und deren Weltbild über die eigenen Augenlider hinausreicht, wissen, dass sich Israel verteidigt hat. 

Genauso schlecht könnte eine Überschrift lauten „Frau greift Pitbull an“ – und, wenn überhaupt, erst viel später erfahren die Leserinnen und Leser, dass die Frau zur Notwehr übergegangen ist, nachdem der Pitbull sie verfolgt, in die Ecke gedrängt und verletzt hat.

Die Artikel auf Spiegel Online negieren praktisch auch die Tatsache, dass die von der Hamas abgefeuerten Raketen tödlich sind. Nur infolge der Reaktionen Israels sterben Menschen; die Raketen der Hamas hingegen schweben auf die Menschen Israels nieder wie Zuckerwatte und bringen den Betroffenen Glück, Gesundheit und ein langes Leben.

Damit, Spiegel Online, gebt Ihr vielen Menschen in Deutschland natürlich nur das, was sie dringend benötigen: Viele Deutsche brauchen zum Wohlfühlen einen Vorwand für ihren Antisemitismus ebenso sehr wie die Vitamine Bier und Champions-League. 

Natürlich kann man an der Regierung Israels viel kritisieren – so wie an jeder anderen Regierung auf der Welt. Aber für viele Menschen ist die in etlichen Medien sehr einseitig dargestellte Politik Israels genauso eine Ausrede für ihren Antisemitismus wie eine Erdnuss für ihr Übergewicht.

Deutsche, die keinen Antisemitismus empfinden, würden sich ja fast wie normale Menschen fühlen.  

Viele Menschen in diesem Land brauchen andere, von denen sie zumindest glauben, auf sie mit moralischer Überlegenheit hinabschauen zu können. Sonst bestünde die Gefahr, dass sie sich selbst kritisch betrachten: ihre Vorurteile, mit denen sie andere Menschen diskriminieren; ihren Egoismus, mit dem sie ihren Wohlstand auf dem Leid anderer Menschen aufbauen; ihren Lebensstil, mit dem sie die für nachfolgende Generationen notwendigen Ressourcen verbrauchen.

Und deswegen sind diese Menschen dankbar dafür, wenn ihnen jemand in Form von Schlagzeilen eine Augenbinde umlegt, deretwegen sie von den tatsächlichen Geschehnissen auf der Welt nur das sehen, was sie möchten.

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