Gunnar Schade – Satire-Blog Über Gunnar Schade

18.02.2023

Die Entwicklung Künstlicher Intelligenz ist grundsätzlich ebenso erfreulich wie die künstlicher Beine als Ersatz für fehlende natürliche.

(Doch während der Verlust ihrer Beine für Menschen zu Recht ein tragisches Ereignis ist, steigert das Fehlen von Intelligenz geradezu umgekehrt proportional die Lebensfreude und das Selbstbewusstsein der betroffenen Menschen.)

Ein Chatbot wie ChatGPT ist prinzipiell nichts Neues: Ein Exemplar, von dem Schüler ihre Hausaufgaben nur noch abzuschreiben brauchen, nannte man früher Klassenstreber.

Beim Lesen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat sich jeder schon gedacht, dass dies unmöglich ein Mensch geschrieben haben könne – und tatsächlich waren es ohne gesunden Menschenverstand agierende Juristen.

Und Olaf Scholz‘ Reden sind ein Beispiel dafür, dass ein unlebendiges, roboterähnliches Gebilde schon lange eine Rede aus Phrasen und Textbausteinen entwickeln kann.

Es gibt aber auch Dinge, die Künstliche Intelligenz nicht kann: zum Beispiel empathisch sein. Und genau darin bestünde wirklicher Fortschritt. Um die Probleme auf der Welt zu lösen – von Kriegen und Armut über Rassismus und Antisemitismus bis hin zu Umweltzerstörung und Tierqual – brauchen Menschen vor allem mehr Empathie.

Menschen können dann alles erreichen, wenn sie einander verstehen und zusammenarbeiten. Deswegen hat es auch viele Nachteile, dass Menschen immer mehr Arbeit von Computern und Maschinen erledigen lassen. Wie die Welt aussähe, wenn statt menschlicher Wesen nur noch gefühllose, rein programmatisch agierende Exemplare die Arbeit übernähmen, sieht man in deutschen Baugenehmigungsbehörden.

Was Menschen entwickeln sollten, ist also weniger Künstliche Intelligenz, sondern vielmehr Emotionale Intelligenz.

Künstlicher Intelligenz fehlt aber auch so manch andere menschliche Fähigkeit: zum Beispiel Dinge infrage zu stellen respektive zu überdenken. Die Datensätze, die Chatbots wie ChatGPT verwenden, enthalten viele Vorurteile; und Künstliche Intelligenz kann diese nicht erkennen.

(Auf einen Großteil der Menschen trifft dies ebenfalls zu: Viele Menschen sind genaugenommen nur eine Anhäufung von Vorurteilen, aufgeschnappter Gerüchte und verzerrter Wahrnehmungen; aber Menschen können diese zumindest theoretisch infrage stellen und überdenken.)

Die AfD, also das bekannteste Beispiel für etwas, das ohne menschliches Hirn und mit vorurteilsbeladenen Datensätzen agiert, fügt nach jeder Straftat in Deutschland die Begriffe Flüchtlinge und Kriminalität zu einem Schwarz-Weiß-Bild zusammen.

„Künstliche Intelligenz“ wie die AfD, die Vorurteile weder erkennt noch überdenkt und verwirft, ist jedoch nichts anderes als eine geradezu unnatürliche Dummheit.

Im Gegensatz zu Menschen mangelt es Künstlicher Intelligenz an vielen wichtigen Kompetenzen: zum – drittes und letztes – Beispiel in augenblicklicher Situation neue Erkenntnisse hinzuzufügen und daraus resultierende Entscheidungen zu treffen. Wenn zum Beispiel ein Land von einem anderen Land angegriffen wird, dessen Präsident zu Verhandlungen keinesfalls bereit ist, dann können menschliche Wesen zu der Einsicht gelangen, dass die grundsätzlich schöne Idee des Pazifismus nicht bedeuten darf, von einem Angriffskrieg betroffene Menschen im Stich zu lassen, und dass man diese Menschen gerade um des Friedens willen mit Waffenlieferungen zur Notwehr befähigen muss.

Gebilde, die kein Herz besitzen, friemeln hingegen aus den Begriffen Frieden und Pazifismus ein sogenanntes „Manifest für Frieden“ zusammen, wonach nur ihrer Selbstgerechtigkeit Genüge getan wird und der Präsident des angreifenden Landes sein Unrecht weiterhin begehen darf.

Sinnvoll und verantwortungsbewusst eingesetzt, kann Künstliche Intelligenz das Leben der Menschen ebenso verbessern wie Computer und Maschinen. Im Arbeitsalltag wird der Umgang mit Künstlicher Intelligenz darüber entscheiden, inwieweit diese Technologie die Arbeitslosigkeit erhöht und inwieweit sie Menschen die Arbeit erleichtert: Die Drehbuchautoren deutscher Daily Soaps beweisen, dass Exemplare, die keine menschliche Intelligenz haben, bereits existierende Inhalte längst immer wieder zu etwas scheinbar Neuem zusammensetzen.

Auch in der Schlagerbranche ist es seit langem üblich, dass seelenlose Konstrukte eine sehr überschaubare Zahl von Mustern einfach neu sortiert.

Künstliche Intelligenz gefährdet dennoch nicht alle Arbeitsplätze: Die Arbeit eines Chirurgen zum Beispiel, also statt des linken Beins das rechte zu amputieren, ist eine Arbeit, wofür Betroffene auch in Zukunft einen Menschen verklagen möchten.

Und viele Arbeitsprozesse wie Bundestagsreden oder die Weihnachts- und Neujahrsansprache sind derart monoton und stumpfsinnig, dass sogar die besonders dafür vorgesehene Künstliche Intelligenz von Menschen getröstet und psychologisch betreut werden muss.

Die Bundesregierung sollte indes darüber nachdenken, inwieweit die Menschen, die wegen des Einsatzes neuer Technologien ihren Arbeitsplatz verlieren werden, mit einem Grundeinkommen abgesichert werden können.

Menschen sollten Künstliche Intelligenz sehr maßvoll einsetzen. Viele Routinearbeiten kann Künstliche Intelligenz genauso gut wie Menschen erledigen – aber zum Beispiel dabei, Erste Hilfe und seelische Fürsorge für andere Menschen zu leisten, sind Menschen ebenso unersetzlich wie dabei, überhaupt erst dafür zu sorgen, dass diese Menschen Erste Hilfe und seelische Fürsorge brauchen.

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