Gunnar Schade – Satire-Blog Über Gunnar Schade

18.03.2022

Putin führt Krieg gegen die Ukraine – in dem Glauben, er ginge als der große Held und Herrscher in die Geschichtsbücher ein, der Russland zur Größe des Sowjetreiches verholfen hätte.

Heldentum besteht jedoch nicht darin, vom Präsidentenstuhl aus andere Menschen in den Krieg zu schicken. Heldentum besteht zum Beispiel darin, als Lehrer den von RTL und Smartphones erzogenen Kindern Deutsch beizubringen.

Heldentum besteht auch nicht darin, als Soldat in einem Flieger einen Knopf zu drücken und durch den damit ausgelösten Bombenabwurf andere Menschen zu töten. Heldentum besteht unter anderem darin, sich als Kindergärtnerin den ganzen Tag mit Terroristen auseinanderzusetzen.

Es hat der Menschheit seit jeher zum Nachteil gereicht, dass meist die falschen Menschen als Helden verehrt wurden: Als Held in die Geschichte eingegangen ist Martin Luther; und viele Menschen betrachten ihn als Vorbild. Dies würden sie wohl nicht tun, wenn Martin Luther von allen Historikern als derjenige angeprangert worden wäre, der er tatsächlich war: jemand, der Frauen verachtete, Bauern sowie behinderte Menschen verabscheute und Juden hasste. – Martin Luther war besessen von einem Antisemitismus, dessentwegen sogar Hamas-Führer aufgrund aufkommender Minderwertigkeitskomplexe bei der Telefonseelsorge anrufen.

Apropos unangebrachter Heldenmythos: Viele Menschen auf der Welt verehren Mahatma Gandhi als großen Freiheitskämpfer – ja, als die Symbolfigur des Kampfes für Unabhängigkeit. Sie übersehen, dass sich Mahatma Gandhi ausschließlich gegen die Unterdrückung seiner indischen Landsleute einsetzte. Dass er die Unterdrückung schwarzer Menschen sogar ausdrücklich befürwortete, weil er Schwarze nicht als Menschen anerkannte. Dass er die Ansicht vertrat, Inder und Weiße sollten als ebenbürtig gelten, aber keinesfalls schwarze und weiße Menschen. Dass er vergewaltigte Frauen nicht mehr als Menschen erachtete, weil angeblich die Frauen schuld an den Vergewaltigungen wären. Dass er der Meinung war, die Menstruation wäre ein Beweis für die Verunreinigung der weiblichen Seele infolge ihrer Sexualität. Dass er zwar gegen die Herrschaft der Briten in Indien kämpfte, aber nie gegen das dort existierende ungerechte Kastensystem, mithin die willkürliche Einteilung von Menschen. Dass Mahatma Gandhi also zu Unrecht als Held und Vorbild geehrt wird, obwohl ihm höchstens die posthume Ehrenmitgliedschaft in der AfD gebührt.

Und noch ein Beispiel für Geschichtsklitterung: Als heldenhafter Entdecker Amerikas gilt Christoph Kolumbus, obwohl er nur versehentlich auf einen Kontinent gestoßen ist, den schon lange vor ihm viele andere Menschen entdeckt und sogar zu ihrem Zeltplatz auserkoren hatten. Genauso gut könnte man irgendeinen Deutschen als heldenhaften Entdecker preisen, weil er mit dem Auto eine Straße nach Italien entdecken wollte und sich in Dänemark am Ziel wähnte.

Es würde der Menschheit sehr zum Vorteil gereichen, wenn die Historiker nicht mehr die falschen Menschen als Helden verklärten, sondern die Wahrheit auf den Sockel höben. Putin würde den Krieg gegen die Ukraine möglicherweise beenden, wenn er fortan davon ausgehen müsste, dass er auch in den Geschichtsbüchern Russlands dereinst nicht als Held gepriesen, sondern dass dort Folgendes – historisch verbürgt und streng wissenschaftlich – stehen würde: dass Putin ein Feigling war, der im Krieg gegen die Ukraine Tausende unschuldige Menschen töten und ganze Städte zerstören ließ. Dass ein Pony mit einer Fliege auf dem Rücken mehr Gehirn trägt als das Pony mit Putin auf dem Rücken. Und dass Putin, der homosexuelle Menschen in Russland ächten und verfolgen lässt, seinen schwarzen Gürtel im Judo nur deswegen erhalten hat, weil er sein außer Kontrolle geratenes Kamasutra mit anderen Männern als Judo-Kämpfe deklarierte.

Während die Historiker nicht mehr die falschen Menschen als Helden verklären sollten, sollten sich die Menschen bessere Vorbilder suchen: Heldentum besteht nicht darin, als Action-Star vor einer Kamera zu schauspielern und dabei keine Angst vor Überschätzung und schlechten Drehbüchern zu haben. Heldentum besteht zum Beispiel darin, als Alten- oder Krankenpfleger zu arbeiten und dabei keine Angst vor Überstunden und schlechter Bezahlung zu haben.

Und die Menschen sollten auch Folgendes beherzigen: Helden werden meist dort gebraucht, wo sich Menschen gegenüber anderen Menschen respektive Lebewesen unvernünftig oder rücksichtslos verhalten. Für eine erstrebenswerte Gesellschaft bedarf es also nicht mehr Helden, sondern vor allem weniger Unvernunft und Rücksichtslosigkeit.

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