Gunnar Schade – Satire-Blog Über Gunnar Schade

23.10.2022

Die Umwelt zu schützen und Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen ist richtig. Straßen zu blockieren und sich in Museen an Gemälden festzukleben, wie es die Aktivisten der Umweltschutzgruppe „Letzte Generation“ in dieser Woche wiederholt getan haben, ist falsch.

Und das aus mehreren Gründen:

1. Zu den Verursachern des Klimawandels gehören natürlich nicht nur die Besitzer der Ölkonzerne und Kohlekraftewerke sowie die anderen Industriebosse, sondern auch viele Bürger mit ihrer auf Konsum und persönliche Vorteile fixierten Lebensweise; aber die Aktionen der „Letzten Generation“ schädigen und benachteiligen Menschen, deren Mitschuld am Klimawandel ungewiss ist.

Die Aktivisten behindern mit ihren Straßenblockaden zudem Rettungssanitäter auf der Fahrt zu einem Unfallort, schwangere Frauen auf dem Weg in die Geburtsklinik, Arbeitslose auf der Fahrt zu einem Bewerbungsgespräch und Klimaingenieure auf dem Weg zu ihrer Forschungsarbeit zum Ausbau erneuerbarer Energien.

2. Weder die Konzernchefs noch die Bürger, die zugunsten ihres persönlichen Vorteils keine Rücksicht auf die Umwelt und andere Menschen nehmen, werden sich sagen: „Holla! Also bisher waren mir nur mein Profit, meine Karriere und mein Vergnügen wichtig; und es war mir schnuppe, dass andere Menschen im Hochwasser umkommen, während ich im Geld schwimme! – Aber jetzt, da sich diese Umweltaktivisten an Gemälden festkleben, die nicht mir gehören, werde ich meine egoistische Lebensweise grundlegend ändern!“

Diese Menschen werden sich – zu Unrecht – höchstens sagen: „Wenn diese Umweltaktivisten Straßen blockieren, wo ich langfahre, dann werde ich an meinem SUV den Rammbügel verstärken und auf der Motorhaube ein MG anbringen!“

3. Viele Menschen, die zu Recht darüber nachgedacht haben, sich in einer Umweltorganisation zu engagieren, werden von solchen Aktionen abgeschreckt. Wer den Umgang mit Menschen nicht scheut, die sich wegen ihres dubiosen Treibens im Visier der Justiz befinden, der ist ohnehin meist schon in der FDP.

4. Diese Aktionen bestärken bei Klimawandelskeptikern das Klischee, Umweltschützer wären allesamt „Chaoten“ und „durchgeknallte Spinner“. Um Menschen dazu zu bewegen, ihre Lebensweise wegen des Klimawandels zu ändern, muss man sie jedoch gerade von der Vernunft dieses Handelns überzeugen.

Das kann nicht mit Aktionen gelingen, die zu Recht Straftaten sind. Und außerdem Plagiate: Beim Bundesligaspiel zwischen dem FC Bayern München und Borussia Mönchengladbach haben zwei Aktivisten der „Letzten Generation“ versucht, sich an einem der beiden Tore festzuketten. Während eines Fußballspiels unbeweglich vor dem Tor zu stehen ist aber die Idee des Schalker Torwarts.

5. Es gibt Fälle, in denen ziviler Ungehorsam angebracht ist: Flüchtlinge vor dem Ertrinken im Mittelmeer zu retten und in Europa an Land zu bringen ist zweifellos richtig, auch wenn das Anlegen privater Rettungsschiffe oft als illegal gewertet wird.

Der Unterschied zu den Aktionen der „Letzten Generation“ besteht darin, dass die Crews der Rettungsschiffe Menschen in Not helfen, weil die EU-Staaten diese Menschen aufgrund inhumanitärer Flüchtlingspolitik im Stich lassen. Die Crews der Rettungsschiffe versuchen nicht, auf die Not der Ertrinkenden aufmerksam zu machen, indem sie Seewege blockieren und sich in Meeresmuseen an Aquarien leimen.

6. Protest respektive ziviler Ungehorsam sollte sich zudem immer gegen diejenigen richten, die das angeprangerte Unrecht begehen: Die aktuellen Proteste der Menschen im Iran wenden sich gegen das ungerechte Regime, das diese Menschen unterdrückt, und nicht gegen Kunstwerke von Menschen, die vor über vierhundert Jahren meist in großer Armut gelebt und den Klimawandel nicht mitverursacht haben.

In Anbetracht dessen, wie Friedrich Merz derzeit die fehlende CDU-Klimapolitik in den letzten 16 Jahren schönzureden versucht und den Einsatz erneuerbarer Energien weiterhin ablehnt, gibt es für Kleber bessere Verwendungsmöglichkeiten.

Und nichts einzuwenden wäre gegen eine Blockade, deretwegen Lobbyisten-Maskottchen Christian Lindner nicht mehr ins Finanzministerium käme, sondern nur noch zur Selbsthilfegruppe für Menschen, die mit einem Porsche etwas kompensieren möchten.

7. Um den Klimawandel möglichst zu stoppen respektive abzuschwächen, bedarf es einer nachhaltigen Lebensweise. Essen wie Kartoffelbrei an Gemälde zu werfen widerspricht, auch bei kleinen Mengen, dem Grundsatz der Nachhaltigkeit. Das ist auch nicht dadurch zu rechtfertigen, dass sich Menschen bei Museumsbesuchen derzeit ganze Mahlzeiten von Gemälden kratzen könnten.

8. Dass sich die Aktivisten der „Letzten Generation“ an Gemälden respektive auf Straßen festkleben sowie den Verkehr blockieren, ist ein falsches Mittel für ein richtiges Ziel: den Klimawandel so gut wie noch möglich aufzuhalten. Falsch handeln natürlich vor allem diejenigen, die an ihrem Standpunkt respektive ihrem Weltbild von einer nur auf Konsum und Profit ausgerichteten Gesellschaft festkleben, für das falsche Ziel hinsichtlich eines ständigen Wirtschaftswachstums längst überfällige Umweltschutzmaßnahmen behindern und dadurch über 80 Millionen Bundesbürger sowie alle anderen Menschen auf dem Weg in eine bessere Zukunft blockieren.

Zweifellos ist es richtig, Menschen dazu bewegen zu wollen, die Umwelt zu schützen und durch eine nachhaltige Lebensweise die natürlichen Ressourcen zu schonen. Die Aktivisten der „Letzten Generation“ sollten hinsichtlich ihres Engagements jedoch einsehen, dass sie von der Ressource Intelligenz ruhig unbeschränkt Gebrauch machen können.

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