Das Finale der Fußball-WM der Frauen haben die Spanierinnen gewonnen. Doch wie immer, wenn es Zeit wäre, die Leistung bestimmter Frauen zu würdigen, steht stattdessen ein testosterongesteuerter Vollhonk im Mittelpunkt: Luis Rubiales, Präsident des spanischen Fußballverbandes, küsste bei der Siegerinnenehrung eine der spanischen Spielerinnen ungefragt auf den Mund.
Die von vielen Menschen derzeit diskutierte Frage sollte nicht lauten: War dieser Kuss unangebracht; oder war er vertretbar?
Die richtige Frage lautet: Muss Luis Rubiales zurücktreten; oder muss Luis Rubiales zurücktreten, und alle Frauen der spanischen Nationalmannschaft dürfen ihn zudem in seinen Strafraum treten?
All die Männer, die wegen dieser sexuellen Aggression sagen, es wäre „doch nur ein Kuss gewesen“, haben offensichtlich keine Empathie. Um es diesen geistig-moralischen Einzellern verständlich zu erklären: Wenn ein Mann eine Frau ungefragt küsst und hinterher gesagt wird, es wäre doch nur ein Kuss gewesen, dann ist das so, als würde eine Frau diesen Männern mit einem Schlüssel den Lack deren neuen Mercedes zerkratzen und hinterher sagen, es wäre doch nur eine Nachricht.
Unerwünschte Küsse sind nicht die einzige Form sexueller Aggressionen: Auf der Kleidung vieler Frauen gibt es mehr fremde Fingerabdrücke als auf Touchscreen-Monitoren von SB-Terminals.
Das Paradoxe an diesem übergriffigen Verhalten ist: Ausgerechnet die Männer, die Frauen nicht begreifen, begreifen Frauen.
Viele Männer müssen dem Besitzstandsdenken entsagen, wonach sie mit Frauen angeblich machen können, was Frauen nicht möchten.
Und diese Männer sollten eines bedenken: In einem bekannten Märchen küsst eine Prinzessin einen Frosch; und daraufhin entpuppt sich der Frosch als Prinz. In der Realität küsst so mancher Frosch ungefragt eine Frau; und daraufhin entpuppt sich der Frosch als Widerling.