Gunnar Schade – Satire-Blog Über Gunnar Schade

30.04.2024

Der erste von drei Prozessen gegen die „Reichsbürger“-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß hat nun in Stuttgart begonnen. 382 Schusswaffen, 347 Hieb- und Stichwaffen, etwa 500 weitere Waffen, 148.000 Munitionsteile – und 27 Knallköpfe, die einen gewaltsamen Umsturz in Deutschland geplant hatten.

Diese Auflistung beweist, dass Verschwörungsgeschwurbel nicht „bloß eine Meinung“ ist. Aus Behauptungen und Vorurteilen können sich Ereignisse entwickeln, die das Leben von Menschen gefährden. Die Reichsbürger hatten geplant, den Bundestag zu stürmen und die Regierung zu übernehmen. Auch wenn ihnen gewiss kein Umsturz des demokratischen Systems in Deutschland gelungen wäre, so hätten bei dem Versuch jedoch viele Menschen getötet werden können.

Der Plan der Reichsbürger basierte auf deren Überzeugung, Deutschland würde von einem sogenannten Deep State regiert werden. Natürlich ist das absoluter Unsinn. Tatsächlich wird Deutschland von einem Deep Sleep regiert – auf Deutsch: Olaf Scholz. 

Der Mythos von einem vermeintlichen Deep State ist nicht neu: Schon im 18. Jahrhundert wird in Texten über Freimaurer über einen „Staat im Staate“ fabuliert. Das ebenfalls weitverbreitete Hobby, gegen Flüchtlinge zu hetzen, ist noch älter; es entstand aus rassistischen Vorurteilen. Die meisten Menschen haben indes ein Handy und einen Internetzugang, womit sie sich nahezu allen anderen Menschen mitteilen können; aber sehr viele haben immer noch kein Denken, womit sie andere Menschen verstehen.

Viele Verbrechen beruhen nur auf einem Vorurteil: Der Holocaust lässt sich zurückführen auf die Behauptung, die Juden wären schuld. Viel wichtiger als die Entwicklung des Navigationsgerätes, das Menschen über größere Strecken zielgenau an einen bestimmten Punkt führt, wäre die Entwicklung eines Verständnisses gewesen, das zu anderen Menschen erst gar keine Distanz entstehen lässt.

Hass, Hetze und Verschwörungsgeschwurbel von Tatsachen zu unterscheiden ist natürlich schwierig für all diejenigen, für die eine Behauptung schon als Wahrheit und ihre verzerrte Wahrnehmung bereits als Denken gilt.

So wie die meisten Menschen gelernt haben, ihren Müll zu trennen, so müssen sehr viele Menschen auch lernen, Stereotype, Vorurteile und offenkundigen Unsinn von Fakten zu trennen. Wer versteht, dass Flaschen nicht in die Papiertonne gehören, sollte auch verstehen, dass Friedrich Merz’ Behauptungen nicht in die Gedächtniskategorie Tatsachen gehören.

Und wer nachvollziehen kann, dass der Inhalt der braunen Tonnen nicht mit Kunststoff vermengt werden sollte, müsste auch nachvollziehen können, dass die Pläne von AfD-Politikern und Reichsbürgern nicht mit Beispielen aus der Gehirnregion für sinnvolles Handeln vermengt werden sollten.

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