Gunnar Schade – Satire-Blog Über Gunnar Schade

05.07.2022

Aus aktuellem Anlass, dem Offenen Brief mehrerer Prominenter an die Regierungen der westlichen Staaten, mein Blog-Beitrag vom 30.04.2022 und – darunter – ein neu hinzugekommener 2. Teil:

Blog-Beitrag vom 30.04.2022:

Du wirst auf Deinem Grundstück von einem Nachbarn angegriffen, der numerisch weitaus überlegen als auch schwerbewaffnet ist. Die zuständigen Behörden greifen nicht ein, um zu verhindern, dass sich dieser Nachbarschaftskonflikt auf die ganze Ortschaft ausbreitet.

Was viele Bewohner dieser Ortschaft zu Dir sagen:

„Du solltest auf eine diplomatische Lösung setzen. Dein Nachbar ist für Diplomatie und Argumente zwar ebensowenig zugänglich wie Beton für Poesie, und an jedem weiteren Tag dieses Konfliktes begeht er die abscheulichsten Verbrechen an Dir und Deiner Familie; aber zum Glück gehören wir derzeit nicht zu den Opfern unseres nutzlosen Vorschlags.“

„Du solltest Dich ergeben. Dein größenwahnsinniger Nachbar muss lernen, dass man ihm jedes Grundstück, das er angreift, kampflos überlässt. Wenn er das verstanden hat, dann wird er erst recht auch noch andere Grundstücke angreifen; und infolgedessen wird es zu ebendiesem Konflikt in der ganzen Ortschaft kommen, den Du mit Deiner Kapitulation verhindern wolltest.“

„Wir sind von Deinem Leid nicht unmittelbar betroffen; und deswegen erteilen wir Dir gern Ratschläge zur Konfliktlösung, die so realistisch sind wie Ratschläge an Greuther Fürth zum Gewinn der Deutschen Fußballmeisterschaft. Dabei übersehen wir die Tatsache, dass es – so traurig und tragisch dies auch ist – Situationen gibt, in denen man kämpfen muss. Nach unserer Überzeugung hätte Hitler, wenn die Alliierten nicht eingeschritten wären, den Zweiten Krieg in der ganzen Ortschaft aus Mitgefühl mit dessen Opfern beendet, danach das Buch ,Mein Kampf für die Abschaffung des unsinnigen Rassebegriffs’ geschrieben und den Verein zur Förderung der arisch-jüdischen Freundschaft gegründet.“

„Deine einzige Möglichkeit, Dich gegen Deinen uneinsichtigen und schwerbewaffneten Nachbarn zu verteidigen, besteht darin, Dir schwere Waffen zu liefern; doch wir sollten dies nicht tun. Mit der Lieferung von Waffen provoziert man diesen größenwahnsinnigen Nachbarn möglicherweise zu etwas, was dieser ohnehin tun wird.“

„Man sollte Dich nicht zur Selbstverteidigung befähigen; denn es ist bekannt, dass Du Steuern hinterzogen hast. Und wenn man allen Menschen, die Steuern hinterzogen haben, auch im Fall eines grausamen Angriffs nicht beistünde, dann gäbe es im Ort endlich sehr viele freie Grundstücke.“  

„Wir raten Dir, absoluten Pazifismus respektive gewaltfreien Widerstand zu praktizieren. Absoluter Pazifismus respektive gewaltloser Widerstand bringen zwar überhaupt nichts gegenüber einem angreifenden Nachbarn, der auch erkennbar unbewaffnete Zivilisten erschießt und massenhaft Frauen vergewaltigt und eine Geburtsklinik bombardiert. Aber wir erteilen Dir schließlich Rat, während wir auf einem friedlichen Grundstück leben, auf dem man absoluten Pazifismus deswegen ohne persönliche Nachteile fordern kann, weil in den vorangegangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten Menschen bereit waren, für solch ein friedliches Grundstück zu kämpfen.“

„Es ist falsch von Dir, auf absoluten Pazifismus zu verzichten, nur weil Deine Frau vergewaltigt und Deine Kinder getötet und all Deine Eigentümer zerstört werden. Viele von uns verzichten auf ihre pazifistische Einstellung nur, wenn im Supermarkt WC-Papier und Sonnenblumenöl knapp werden.“

„Man sollte Dir keine schweren Waffen liefern, denn Du bist nicht Mitglied in dem Nachbarschaftsbündnis NATO (Nachbarschaftliche Allianz gegen Totalitäre Ochsen). Wenn wir auf der Straße an einen Unfallort kommen, an dem sich ein schwerverletzter Mensch befindet, dann lassen wir diesem Menschen selbstverständlich auch nur geeignete Hilfe zukommen, wenn er Mitglied beim DRK ist.“

„Da wir nicht miterleben müssen, wie Angehörige unserer Familie erschossen oder vergewaltigt oder verstümmelt werden, beharren wir empathiefrei auf unserem absoluten Pazifismus, dem große Vorteile innewohnen: zum einen braucht man auch angesichts unsäglicher Grausamkeiten gegenüber einem Nachbarn nichts zu tun, und man kann sein Gewissen für diese unterlassene Hilfeleistung mit Scheinmoral belügen. Zum anderen bietet er die Gelegenheit, uns auch gegenüber den Menschen moralisch überlegen zu fühlen, die genau wie wir den Dritten Krieg in der ganzen Ortschaft verhindern und Dir gerade deswegen mit den Waffenlieferungen bei Deiner rechtmäßigen Verteidigung helfen möchten. Diese scheinbare moralische Überlegenheit verkennt folgendes: Den Frieden zu lieben bedeutet, niemals andere Menschen oder Lebewesen anzugreifen und angesichts eines Konflikts so lange wie möglich eine friedliche Lösung anzustreben. Den Frieden zu lieben bedeutet nicht, Unrecht und Grausamkeiten gegenüber anderen Menschen zuzulassen.“

*****

2. Teil:

Wegen des fortwährenden Krieges Russlands gegen die Ukraine haben mehrere deutsche Prominente erneut einen Offenen Brief verfasst.

– In dem Offenen Brief fordern sie die Regierungen der westlichen Staaten zu Verhandlungen auf.

Diese Prominenten übersehen die Tatsache, dass Putin zu Verhandlungen nicht bereit ist. Alle Versuche, mit Putin zu verhandeln, sind so erfolgreich wie Versuche, einen Abrissbagger zum Ausdruckstanz zu bewegen.

– Die Prominenten behaupten in dem Offenen Brief, je länger man Maßnahmen zur Unterstützung der Ukraine ergriffe, desto unklarer würde es werden, worin das Kriegsziel bestünde.

Worin könnte das Ziel eines Landes bestehen, das von seinem Nachbarland zu Unrecht angegriffen wurde? Darin, den Aggressor zurückzudrängen und wieder in Frieden und Freiheit zu leben? Oder darin, die nächste WM im Eisstockschießen zu gewinnen?

Man stelle sich vor, jemand würde – wie im Blog-Beitrag vom 30.04.2022 ausführlicher beschrieben – auf seinem Grundstück von einem schwerbewaffneten Nachbarn angegriffen werden. Der Nachbar lässt nicht mit sich verhandeln und greift rücksichtslos weiter an. In diesem Fall besteht die einzig richtige Maßnahme darin, das Grundstück zu verteidigen.

Wenn man dem Nachbarn das Grundstück kampflos überließe, dann würde dieser erst recht auch noch andere Grundstücke angreifen; und infolgedessen käme es zu ebender Ausweitung des Konfliktes, die man mit einer Kapitulation verhindern wollte.

Jakob Augstein, der zu den Unterzeichnern des Offenen Briefes gehört, möge sich einmal in die Lage des Angegriffenen versetzen. Während er von einem Gegner, der schwerbewaffnet und numerisch weitaus überlegen und verhandlungsunwillig ist, brutal niedergemacht wird, ruft man ihm aus der Ferne zu, er solle doch vernünftig sein und verhandeln.

– Die Prominenten fordern die Regierungen der westlichen Staaten auf, sich zu fragen, ob und wie lange die Waffenlieferungen an die Ukraine richtig seien.

Gewiss wäre es schön, wenn sich Putin mit Argumenten zum Frieden bewegen ließe. Noch schöner wäre es, in einer Welt zu leben, in der Menschen andere Menschen erst gar nicht angreifen respektive keine Kriege führen.

Leider leben wir nicht in solch einer Welt. Die Ukraine handelt richtig, indem sie sich gegen den Angriff eines brutalen und schwerbewaffneten Gegners mit Waffen verteidigt. Dies entspricht auch der Verhältnismäßigkeit, die jeder Notwehr zugrunde liegen sollte.

Die Ukraine hat sich schon länger erfolgreich verteidigt, als Putin und manch sogenannter Militärexperte das eingeschätzt haben. Und die Waffenlieferungen der Bundesregierung an die Ukraine haben gerade erst begonnen.

– In dem Offenen Brief heißt es, das Fortführen des Krieges bedeute Tausende weiterer Kriegsopfer.

Gegenüber einem skrupellosen Aggressor wie Putin aufzugeben würde letztlich viel mehr Kriegsopfer bedeuten.

Bezeichnend ist, dass die deutschen Prominenten in ihrem Offenen Brief keine Lösung aufzeigen, wie man den Menschen in der Ukraine helfen könnte.

Die Prominenten, die aus unerfindlichen Gründen als Intellektuelle gelten, debattieren nicht über eine Verhaltensänderung derjenigen, die zu Unrecht angreifen, sondern über eine Verhaltensänderung derjenigen, die sich zu Recht verteidigen.

Dass jemand wie Jakob Augstein die Gelegenheit hat, Menschen in Not aus sicherer Entfernung unrealistische und pseudomoralische Ratschläge zu erteilen, hat er der Tatsache zu verdanken, dass in den vorangegangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten Menschen bereit waren, für Frieden und Freiheit zu kämpfen.

– Die sogenannten Intellektuellen schreiben in ihrem Offenen Brief, ein Fortdauern des Krieges in der Ukraine wäre nicht die Lösung des Problems.

Die Lösung des Problems darf es nicht sein, dass die Menschen in der Ukraine vor dem Unrecht kapitulieren, dennoch sterben oder fortan in einer Diktatur Putins leben.

Und in Offenen Briefen stehende Bemerkungen, die die Folgen eines Unrechts übersehen oder an Banalität nicht zu übertreffen sind, sind gewiss keine Lösung des Problems.

In Frankreich dürfen vegane und vegetarische Fleischalternativen nicht mehr Wurst heißen; aber in Deutschland heißen alle sinnlos daherschwafelnden Würstchen Intellektuelle.

Jakob Augstein, dessen vermeintliches Streben nach Frieden und Gerechtigkeit vor allem dadurch zum Ausdruck gekommen ist, dass er mit seinen völlig undifferenzierten Kolumnen Israel dämonisiert, ist so intellektuell wie Buchstabensuppe.

– Die vermeintlichen Intellektuellen betonen in ihrem Brief, die Internationale Gemeinschaft müsse alles dafür tun, Bedingungen zu schaffen, unter denen Verhandlungen überhaupt möglich sind.

Eine der Bedingungen, unter denen Verhandlungen überhaupt möglich wären, bestünde darin, dass Putin seine Gegner respektive Verhandlungspartner ernstnehmen muss. Warum aber sollte Putin seine Gegner respektive Verhandlungspartner ernstnehmen, wenn er sich beim Lesen des Offenen Briefes fragen muss: Wenn dieser Offene Brief von den Intellektuellen eines NATO-Landes verfasst wurde, wie gering ist dann erst die Intelligenz der Durchschnittsbürger?

– In dem Offenen Brief steht zudem, es bedürfe einer Strategie zur möglichst raschen Beendigung des Krieges.

Zweifellos. Diese Strategie besteht jedoch keinesfalls in inhaltsleerem Geschwafel, das sich durch die Bezeichnung „Pazifismus“ den Schein moralischer Überlegenheit gibt.

Pazifismus kann einen Krieg verhindern, solange dieser Krieg noch nicht begonnen oder der Aggressor nach seinem Angriff die Bereitschaft zum Verhandeln hat. Pazifismus im Fall eines Krieges respektive gegenüber einem Agressor ohne Verhandlungsbereitschaft ist unterlassene Hilfeleistung oder Selbstvernichtung.

Richtig verstandener Pazifismus bedeutet, keine anderen Menschen anzugreifen, angesichts eines Konflikts so lange wie möglich eine friedliche Lösung anzustreben und – sobald im Fall eines Krieges der Aggressor seinen Angriff beendet – sofort wieder zum Frieden bereit zu sein. Richtig verstandener Pazifismus bedeutet nicht, Unrecht und Grausamkeiten gegenüber anderen Menschen und sich zuzulassen.

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