Gunnar Schade – Satire-Blog Über Gunnar Schade

23.12.2022

In einem Einkaufszentrum: Verkäuferinnen räumen die ersten Schokoladen-Weihnachtsmänner in die Supermarktregale; und den Menschen wird bewusst: Bald ist Herbstanfang.

Das Einkaufszentrum ist voll wie ein russisches Gefängnis nach einer Demonstration russischer Bürger für Meinungsfreiheit. Noch mehr Menschen sind hier nur am 23. Dezember, am Tag vor Weihnachten: Unzählige Männer stürmen in die Einkaufszentren und kaufen für ihre Frauen schnell noch ein Geschenk, das diese nach Weihnachten in ein passendes umtauschen können.

In einer Mediamarkt-Filiale drängen sich Menschen wegen eines Sonderangebots vor Flachbildfernsehern. Ein Mann, der an dem Technik-Angebot überhaupt kein Interesse hat und unversehens in dieses Gedränge gerät, ist sehr genervt. Dieser Mann ist so genervt und desinteressiert – der herbeieilende Geschäftsführer bietet ihm eine Stelle als Verkäufer an.

Eine weitverbreitete Kritik lautet, immer mehr Menschen würden persönliche Kontakte zu anderen Menschen verlieren, weil sie technische Dinge wie Handys, Internet, Computer und Fernseher übermäßig nutzen. Das ist wahr. Viele Menschen haben sich zum Beispiel ein Navigationsgerät gekauft und werden nun während des Autofahrens ständig angewiesen, was sie als nächstes zu tun hätten. Ein, wie viele Menschen meinen, gleichwertiger Ersatz für einen Ehepartner.

Technische Dinge können Menschen das Kennenlernen aber auch erleichtern. Wer sich einen Computer kauft, lernt infolgedessen oft viele Menschen kennen: einen Computerverkäufer, einen Service-Mitarbeiter für technische Probleme, eine Mitarbeiterin in der Abteilung Warenumtausch, einen anderen Service-Mitarbeiter für technische Probleme, den Chef und alle Mitarbeiter des Computergeschäfts, zwei Polizisten, eine Polizeihauptkommissarin auf dem nächsten Polizeirevier, eine Staatsanwältin, einen Richter, eine Bewährungshelferin und einen Journalisten, der eine gute Story darin wittert, dass ein Computerverkäufer fortan mit einem nicht entfernbaren Computer auf seinem Hals leben muss.

In den Regalen einer KIK-Filiale sind billige T-Shirts gestapelt. Viele Menschen kritisieren Kinderarbeit. Dabei machen die Kinder das sehr ordentlich.

Viele Kleidungsstücke werden immer billiger: 7 Euro, 6 Euro, 5 Euro – das liegt an der Preisbindung an das Alter der Näher.

Viele Deutsche achten beim Einkaufen nur auf möglichst niedrige Preise und denken nicht an die Menschen, die für die Produkte unter unsäglichen Arbeitsbedingungen schuften. Aber immer mehr Menschen in Deutschland halten sich beim Einkaufen an ethische Maßstäbe: Sie kaufen nur Produkte aus Kinderarbeit, wenn diese Kinder pro Tag eine Mahlzeit und in der Woche nicht mehr als 60 Arbeitsstunden haben.

Menschenrechtsvereine erstellen regelmäßig Berichte über die Zustände in Thailand: In Thailand werden Naturparadiese zerstört, um sie für Touristen zu erschließen; Einheimische müssen für einen Hungerlohn arbeiten, damit der Urlaub in diesen Ländern billig angeboten werden kann; und besonders junge Frauen machen alles, um sich etwas Geld zu verdienen. Und viele Deutsche, die nach diesen Berichten der Menschenrechtsvereine nach Thailand gereist sind, sagen, es wäre alles genauso schön, wie es diese Reise-Werbung verspräche.

In einer H&M-Filiale schlendern zwei Frauen in rosa Leggings herum. Viele fragen sich, wie Menschen grellfarbene Leggings tragen können. Da dies weder mit Modebewusstsein noch mit dem Wunsch nach gutem Aussehen zu erklären ist, bietet es wohl einen evolutionären Vorteil: Wie Pflanzen mit grellen Farben locken die Leggingsträger andere Lebewesen mit dem Verstand einer Biene zur Fortpflanzung an.

Es heißt, die Kleidung sage etwas über deren Träger aus. Deswegen tragen viele Menschen so gern Markenkleidung. „Adidas“ zum Beispiel ist offizieller Ausstatter der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. „Thor Steinar“ hingegen ist offizieller Ausstatter deutscher Vollpfosten.

Auf der Rolltreppe des Einkaufszentrums stehen eine Frau und ein Mann. Beiden ist anzusehen, dass sie sich ausschließlich wegen der Erdumdrehung bewegen.

Die beiden tragen Sportanzüge der Marke „Puma“. Natürlich. Solche Menschen kleben wahrscheinlich auch einen Mercedes-Stern auf eine Sackkarre.

Viele Besucher des Einkaufszentrums hamstern bestimmte Produkte. Dafür gibt es natürlich einen guten Grund: Viele Menschen hamstern bestimmte Produkte, weil viele Menschen mit Hamsterkäufen einen Mangel an bestimmten Produkten verursachen.

Das ist, als würden diese Menschen ihr Haus anzünden, um es vor Brandstiftern zu schützen. 

Viele Deutsche glauben, ihre Hamsterkäufe wären gerechtfertigt. Sie sind sich sicher, dass der Nahrungsmittelmangel in diesem Land offensichtlich unmittelbar bevorstünde, denn niemand könne die Tatsache bestreiten, dass es in ganz Deutschland keine Lebensmittelmarken mehr zu haben gebe.

(2. Teil folgt)

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22.12.2022

„Noch schneller als sonst arbeiten!“, heißt es in den Textilfabriken Bangladeschs, in denen Kinder bis zu 15 Stunden am Tag schuften. „Die Menschen in Deutschland und in den anderen reichen Ländern kaufen zu Weihnachten wieder Geschenke, mit denen sie anderen Menschen ihre Liebe und Verbundenheit zeigen möchten.“

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19.12.2022

Eine Fußball-WM in Katar auszurichten war eine folgerichtige Entscheidung. In Katar gibt es Menschen, die für diesen Sport sterben.

Die WM-Vergabe an Katar hat anderen Ländern große Hoffnung gemacht: Wegen der nachvollziehbaren Vergabe-Kriterien der FIFA hofft auf die Ausrichtung der Fußball-WM 2030 vor allem (das zu Dänemark gehörende) Grönland.

Die Fußball-WM in Katar gewonnen hat wie erwartet das Geld. Die Menschenrechte konnten sich gar nicht erst qualifizieren. Das ist nicht überraschend: Wer glaubt, die Fußball-WM in Katar würde die Einhaltung der Menschenrechte verbessern, der glaubt auch, eine Messdiener-Revue im Vatikan würde die Gleichberechtigung der Frauen ermöglichen.

Die Fußball-Nationalverbände sollten sich überlegen, aus der FIFA auszutreten – und einen neuen Weltfußballverband zu gründen, der von Korruption beherrscht wird.

Zu kritisieren ist nicht der Fußballsport. Es ist immerhin besser, wenn Menschen völlig sinnlos einem Ball hinterherlaufen, als dass sie Heinrich XIII. Prinz Reuß hinterherlaufen, der ebenfalls hohl ist.

Die Fußballfans, für die Fußball nicht nur „die schönste Nebensache der Welt“ ist, sondern die Hauptsache, sollten sich jedoch bewusstmachen, dass die Rechte aller Lebewesen die Hauptsache sind – und nicht die lästigste Nebensache der Welt.

Apropos Priorität: FIFA-Präsident Gianni Infantino alias Infantilo hat kurz vor der Fußball-WM an Putin appelliert, während der Weltmeisterschaft den Krieg in der Ukraine zu unterbrechen. – Nach dem Motto: Ansonsten ist Krieg kein Problem; aber in den nächsten vier Wochen sollte die Aufmerksamkeit der Menschen bei denjenigen liegen, die auf Tore schießen.

Solch ein Appell war nichts Neues: Chinas Regierung soll Putin gebeten haben, er möge mit seinem Angriff auf die Ukraine warten, bis die Olympischen Winterspiele im Februar 2022 vorbei seien. Wenn Chinas Regierung wirklich der Frieden am Herzen läge, dann hätte sie Putin gebeten, er möge mit seinem Angriff auf die Ukraine warten, bis der FC Schalke 04 mal wieder Deutscher Fußballmeister werde.

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18.12.2022

„Wenn Kylian Mbappé oder Lionel Messi mit Fußbällen auf Tore schießen, dann ist die Anteilnahme der Menschen groß“, konstatieren die Demonstrantinnen im Iran. „Aber auf uns schießen ja nur Sicherheitskräfte mit scharfer Munition.“

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15.12.2022

Die Nachricht von einem Korruptionsfall im EU-Parlament klingt zunächst wie eine Nachricht von Regen in Hamburg.

Bemerkenswert ist vielmehr, dass bei einem Korruptionsfall im EU-Parlament ermittelt wird.

Eva Kaili, die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, behauptet, sie wüsste nicht, wie der Geldbetrag von 600.000 Euro in ihre Wohnung gekommen wäre. Und als sie das Geld entdeckt hätte – vermutlich, als sie bemerkt hat, worin sie gerade badet –, hätte sie ihren Mann gefragt, was das für Geld wäre. Ihr Mann, Francesco Giorgi, hätte darauf geantwortet, das Geld würde jemand anderem gehören.

Jede Häme ist unangebracht. Wer wurde nicht schon von „jemand anderem“ gebeten, 600.000 Euro in seiner Wohnung aufzubewahren?

Meistens lehnt man solche Anfragen ab – man bewahrt in seiner Wohnung schließlich schon Monet-Gemälde aus einem Museum und Juwelen aus dem Grünen Gewölbe ahnungslos für „jemand anderen“ auf.

Francesco Giorgi hat indessen gestanden, dass er zu einer Organisation gehöre, die von Katar und Marokko benutzt worden sei, um sich in europäische Angelegenheiten einzumischen. Und dass es seine Aufgabe gewesen sei, das Bestechungsgeld zu verwalten.

Eva Kaili hat davon natürlich nichts gewusst; deswegen ließ ihr Mann das Geld unversteckt in der Wohnung herumliegen.

Ihr Anwalt hat gesagt, Länder wie Katar hätten keinen Grund, Eva Kaili Geld zu geben, weil sie ihnen nichts als Gegenleistung zu bieten habe. Und in Anbetracht ihrer Ausreden kann sie zumindest darauf hoffen, dass die Staatsanwaltschaft das unumwunden zugeben muss …

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