Aus aktuellem Anlass, dem ersten Jahrestag von Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie außerdem dem „Manifest für Frieden“ und den vorherigen Offenen Briefen, der aktualisierte Blog-Beitrag vom 05.07.2022:
Wegen der Waffenlieferungen an die Ukraine haben Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht ein „Manifest für Frieden“ verfasst sowie zuvor mehrere deutsche Prominente Offene Briefe.
– Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht fordern Bundeskanzler Olaf Scholz zu Verhandlungen auf.
Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht übersehen die Tatsache, dass Putin zu Verhandlungen nicht bereit ist. Alle Versuche, mit Putin zu verhandeln, sind so erfolgreich wie Versuche, einen Abrissbagger zum Ausdruckstanz zu bewegen.
Während Olaf Scholz kurz vor Kriegsbeginn bei Putin saß und noch glaubte, er könnte ihn vom Frieden und vom Abbruch des angeblichen Manövers überzeugen, dachte Putin nur daran, wie er mit dem um die Ukraine vergrößerten Russland sein kleines Gemächt kompensieren würde.
Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht argumentieren zudem so, als wäre die Ukraine dazu verpflichtet, mit Putin einen Kompromiss zu schließen. Tatsache ist: Putin hat die Ukraine überfallen und lässt dort Zivilisten ermorden, Frauen vergewaltigen, Kinder verschleppen und Krankenhäuser bombardieren. Die einzig akzeptable Konsequenz kann nur darin bestehen, dass Putin damit aufhört und seine Truppen aus der Ukraine vollständig zurückzieht. Alice Schwarzers und Sahra Wagenknechts Argumentation zufolge müsste eine Frau, die von einem Mann zusammengeschlagen und vergewaltigt wird, mit diesem Vergewaltiger einen Kompromiss schließen, der auch seine Absichten gebührend berücksichtigt …
– Sowohl in dem „Manifest für Frieden“ als auch in den Offenen Briefen behaupten die Prominenten, je länger man Maßnahmen zur Unterstützung der Ukraine ergriffe, desto unklarer würde es werden, worin das Kriegsziel bestünde.
Worin könnte das Ziel eines Landes bestehen, das von seinem Nachbarland zu Unrecht angegriffen wurde? Darin, den Aggressor zurückzudrängen und wieder in Frieden und Freiheit zu leben? Oder darin, die nächste WM im Eisstockschießen zu gewinnen?
Man stelle sich vor, jemand würde – wie im Blog-Beitrag vom 30.04.2022 ausführlicher beschrieben – auf seinem Grundstück von einem schwerbewaffneten Nachbarn angegriffen werden. Der Nachbar lässt nicht mit sich verhandeln und greift rücksichtslos weiter an. In diesem Fall besteht die einzig richtige Maßnahme darin, das Grundstück zu verteidigen.
Wenn man dem Nachbarn das Grundstück kampflos überließe, dann würde dieser erst recht auch noch andere Grundstücke angreifen; und infolgedessen käme es zu ebender Ausweitung des Konfliktes, die man mit einer Kapitulation verhindern wollte.
Auch Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht sollten sich einmal in die Lage des Angegriffenen versetzen: Während sie von einem Gegner, der schwerbewaffnet und numerisch weitaus überlegen und verhandlungsunwillig ist, brutal niedergemacht werden, ruft man ihnen aus der Ferne zu, sie sollten doch vernünftig sein und verhandeln.
– Die Prominenten fordern die Bundesregierung auf, sich zu fragen, ob und wie lange die Waffenlieferungen an die Ukraine richtig seien.
Gewiss wäre es schön, wenn sich Putin mit Argumenten zum Frieden bewegen ließe. Noch schöner wäre es, in einer Welt zu leben, in der Menschen andere Menschen erst gar nicht angreifen respektive keine Kriege führen.
Leider leben wir nicht in solch einer Welt. Alice Schwarzer, Sahra Wagenknecht und die anderen Prominenten sollten sich mal mit der Realität befassen. Die Ukraine handelt richtig, indem sie sich gegen den Angriff eines brutalen und schwerbewaffneten Gegners mit Waffen verteidigt. Dies entspricht auch der Verhältnismäßigkeit, die jeder Notwehr zugrunde liegen sollte.
Die Realität sitzt indes bei einem Psychiater und beklagt sich darüber, dass sie von Schwarzer, Wagenknecht und vielen anderen Deutschen überhaupt nicht beachtet werde.
Die Ukraine hat sich schon länger erfolgreich verteidigt, als Putin und manch sogenannter Militärexperte das eingeschätzt haben. Und die Waffenlieferungen der Bundesregierung an die Ukraine haben gerade erst begonnen.
– Sahra Wagenknecht behauptet in Interviews, schuld an Putins Angriffskrieg wäre die NATO-Osterweiterung.
Wenn sich Sahra Wagenknecht bemüht, dann wird sie die NATO-Osterweiterung auch als Ursache für Stalins Massenmorde, den Überfall der Sowjetunion auf Polen und für schlechtes Wetter ausmachen.
Wenn Sahra Wagenknecht hingegen mal die Arbeitsbrille abnähme, die sie während ihrer Tätigkeit als Kreml-Sprecherin trägt, dann würde sie bemerken, dass Putin in Russland seit Beginn seiner Regierungszeit Homosexuelle verfolgen und einsperren lässt, Wahlergebnisse zu seinen Gunsten manipuliert, die Meinungsfreiheit unterdrückt, Oppositionelle inhaftieren oder ermorden lässt und dass Putin zum Beispiel auch in Syrien für grausamste Kriegsverbrechen mitverantwortlich ist. – Und Sahra Wagenknecht würde erkennen, dass Putin schlichtweg ein Diktator ist, dessen Tun von anderen genauso wenig beeinflusst wird wie ein Erdbeben von einem Wackelpudding.
Sahra Wagenknecht argumentiert, nicht nur Russland, sondern auch die USA und die NATO hätten völkerrechtswidrige Kriege geführt. Das ist richtig. Wenn Sahra Wagenknecht als Anwältin einen Mann verträte, der eine Frau vergewaltigt hat, dann würde sie diesen Vergewaltiger also mit dem Argument verteidigen, auch andere Männer hätten Frauen vergewaltigt.
– In dem „Manifest für Frieden“ und in den Offenen Briefen heißt es, das Fortführen des Krieges bedeute Tausende weiterer Kriegsopfer.
Gegenüber einem skrupellosen Aggressor wie Putin aufzugeben würde letztlich viel mehr Kriegsopfer bedeuten.
Bezeichnend ist, dass Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht sowie die anderen deutschen Prominenten in ihren Schreiben keine Lösung aufzeigen, wie man den Menschen in der Ukraine helfen könnte.
Die Prominenten, die aus unerfindlichen Gründen als Intellektuelle gelten, debattieren nicht über eine Verhaltensänderung derjenigen, die zu Unrecht angreifen, sondern über eine Verhaltensänderung derjenigen, die sich zu Recht verteidigen.
Dass jemand wie Jakob Augstein die Gelegenheit hat, Menschen in Not aus sicherer Entfernung unrealistische und pseudomoralische Ratschläge zu erteilen, hat er der Tatsache zu verdanken, dass in den vorangegangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten Menschen bereit waren, für Frieden und Freiheit zu kämpfen.
– Die sogenannten Intellektuellen schreiben, ein Fortdauern des Krieges in der Ukraine wäre nicht die Lösung des Problems.
Die Lösung des Problems darf es nicht sein, dass die Menschen in der Ukraine vor dem Unrecht kapitulieren, dennoch sterben oder fortan in einer Diktatur Putins leben.
Und in einem Manifest und in Offenen Briefen stehende Bemerkungen, die die Folgen eines Unrechts übersehen oder an Banalität nicht zu übertreffen sind, sind gewiss keine Lösung des Problems.
In Frankreich dürfen vegane und vegetarische Fleischalternativen nicht mehr Wurst heißen; aber in Deutschland heißen alle sinnlos daherschwafelnden Würstchen Intellektuelle.
Jakob Augstein, dessen vermeintliches Streben nach Frieden und Gerechtigkeit vor allem dadurch zum Ausdruck gekommen ist, dass er mit seinen völlig undifferenzierten Kolumnen Israel dämonisiert, ist so intellektuell wie Buchstabensuppe.
– Die vermeintlichen Intellektuellen betonen in ihrem Manifest und in ihren Briefen, die Internationale Gemeinschaft müsse alles dafür tun, Bedingungen zu schaffen, unter denen Verhandlungen überhaupt möglich sind.
Eine der Bedingungen, unter denen Verhandlungen überhaupt möglich wären, bestünde darin, dass Putin seine Gegner respektive Verhandlungspartner ernstnehmen muss. Warum aber sollte Putin seine Gegner respektive Verhandlungspartner ernstnehmen, wenn er sich beim Lesen des „Manifestes für Frieden“ und der Offenen Briefe fragen muss: Wenn dieses „Manifest für Frieden“ und die Offenen Briefe von den Intellektuellen eines NATO-Landes verfasst wurden, wie gering ist dann erst die Intelligenz der Durchschnittsbürger?
Den Schulhof-Rowdy überzeugt man nicht von Verhandlungen, indem man an seine nicht vorhandene Verhandlungsbereitschaft appelliert, sondern indem man ihn von der Stärke der Verteidigung überzeugt.
– Jeder Mensch, der für Waffenlieferungen an die Ukraine ist, damit sich diese gegen Putins brutalen Angriffskrieg verteidigen kann, wird von Schwarzers und Wagenknechts Anhängerschaft als vermeintlicher Kriegstreiber verunglimpft.
Gerade die Menschen, die für Waffenlieferungen an die Ukraine sind, möchten Frieden. Keine Waffen an die Ukraine zu liefern hätte deren Zerstörung sowie weitere, ungehinderte Kriegsverbrechen zur Folge. Alice Schwarzers und Sahra Wagenknechts Aufruf bedeutet nichts anderes, als dass die Ukrainer ihre Vernichtung akzeptieren sollen, damit – so die trügerische Hoffnung Schwarzers und Wagenknechts – bloß keine Situation entsteht, deretwegen ihr eigener Frieden gefährdet wird.
Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht übersehen die Tatsache, dass es – so traurig und tragisch dies auch ist – Situationen gibt, in denen man kämpfen muss. Nach ihrer Überzeugung hätte Hitler, wenn die Alliierten nicht eingeschritten wären, den Zweiten Krieg aus Mitgefühl mit dessen Opfern beendet, danach das Buch „Mein Kampf für die Abschaffung des unsinnigen Rassebegriffs“ geschrieben und den Verein zur Förderung der arisch-jüdischen Freundschaft gegründet.
– Sowohl in dem „Manifest für Frieden“ als auch in den Offenen Briefen steht zudem, es bedürfe einer Strategie zur möglichst raschen Beendigung des Krieges.
Zweifellos. Diese Strategie besteht jedoch keinesfalls in inhaltsleerem Geschwafel, das sich durch die Bezeichnung „Pazifismus“ den Schein moralischer Überlegenheit gibt.
Pazifismus kann einen Krieg verhindern, solange dieser Krieg noch nicht begonnen oder der Aggressor nach seinem Angriff die Bereitschaft zum Verhandeln hat. Pazifismus im Fall eines Krieges respektive gegenüber einem Agressor ohne Verhandlungsbereitschaft ist unterlassene Hilfeleistung oder Selbstvernichtung.
Richtig verstandener Pazifismus bedeutet, keine anderen Menschen anzugreifen, angesichts eines Konflikts so lange wie möglich eine friedliche Lösung anzustreben und – sobald im Fall eines Krieges der Aggressor seinen Angriff beendet – sofort wieder zum Frieden bereit zu sein. Richtig verstandener Pazifismus bedeutet nicht, Unrecht und Grausamkeiten gegenüber anderen Menschen und sich zuzulassen.
(Mehr zu diesem Thema gibt es unter anderem in den Blog-Beiträgen vom 05.07.2022 und 30.04.2022.)