Gunnar Schade – Satire-Blog Über Gunnar Schade

07.12.2022

Verzicht, der wegen des Klimawandels sowie steigender Energie- und Lebensmittelpreise immer öfter gefordert wird, betrachten viele Deutsche als abwegig. Genaugenommen wird jedoch kein Verzicht gefordert.

Eines von vielen Beispielen: In Äthiopien fallen viele Menschen wegen Hungers um – in Deutschland wegen einer übergewichtsbedingten Imbalance. Für einen geringeren Ressourcenverbrauch bedarf es jedoch keines Verzichts. Auch im Jahr 2022, inmitten einer Inflation, wird in Deutschland fast ein Drittel der Lebensmittel weggeworfen. Die meisten Deutschen brauchen also nicht auf etwas Notwendiges zu verzichten; sie brauchen nur keinen Überfluss zu beanspruchen.

Verzicht bedeutet, etwas nicht zu beanspruchen, das einem zusteht. Den Menschen in Deutschland und in den anderen reichen Ländern steht es aber nicht zu, mehr Ressourcen als nötig zu verbrauchen, während in vielen Ländern Millionen Menschen hungern. Und wenn ein Dieb damit aufhört, andere Menschen zu berauben, dann ist das kein Verzicht, sondern eine Selbstverständlichkeit.

(Damit nicht gemeint sind die armen Menschen in Deutschland, die tatsächlich auf vieles verzichten müssen, sondern die Menschen, die Ressourcen verschwenden und wegen der Forderung nach Verzicht motzen, weil sie das Motzen als Teil ihrer kulturellen Identität verstehen.)

Das nächste Beispiel: Auch in Deutschland ein Tempolimit einzuführen wäre sinnvoll. Viele Deutsche haben jedoch das Gefühl, sie müssten bei einem Tempolimit auf ihre Freiheit verzichten – die Freiheit, die Umwelt mit hohem CO2-Ausstoß zu belasten und mit größtmöglichem Tempo in eine Leitplanke zu rasen.

Ein Tempolimit senkt den Kraftstoffverbrauch und damit den Schadstoffausstoß; und es verringert die Unfallgefahr und mildert die Folgen eines Unfalls. Ein Tempolimit bedeutet nicht, auf Freiheit zu verzichten, sondern, die Freiheit zu vergrößern – die Freiheit, auf einem möglichst intakten Planeten zu leben.

Das letzte Beispiel: Ein Mensch in Deutschland besitzt durchschnittlich etwa 10.000 Dinge. Bei den meisten Menschen bestimmt das Haben das Sein – wenn es umgekehrt wäre, dann hätten sie nichts.

Die meisten dieser Dinge werden überhaupt nicht genutzt; und viele landen schon nach kurzer Zeit im Müll. Doch obwohl die Mehrzahl dieser Dinge überflüssig ist, möchten viele Menschen immer mehr besitzen. Was die meisten Menschen unter Verzicht verstehen, ist genaugenommen weniger Gier.

Jeder sogenannte Verzicht auf überflüssigen materiellen Besitz ist tatsächlich ein Gewinn.

Unter anderem ein Gewinn an Lebenszeit. Ein Mensch sollte seine Lebenszeit nicht mit dem Anhäufen materiellen Besitzes verschwenden – ein Mensch sollte seine Lebenszeit mit seiner Familie verschwenden.

(Mehr zu diesem Thema gibt es unter anderem in den Blog-Beiträgen vom 11.12.2021, 01.08.2021 und 10.12.2020.)

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