Um Dinge zu besitzen, die sie nicht brauchen, zerstören Menschen die Natur, die die Dinge bereitstellt, die sie brauchen.
Und indem sie die Natur zerstören, verursachen Menschen den Klimawandel, dessen Folgen sie den Profit kosten werden, den sie mit der Zerstörung der Natur machen wollten.
Wer diese Gesellschaft betrachtet, fühlt sich wie ein Rhetorikprofessor beim Betrachten eines Til-Schweigers-Films.
Es sei hier nebenbei erwähnt, dass viele Menschen hinsichtlich des Klimawandels höchst absurde Behauptungen aufstellen: Der AfD-Kreisverband Worms behauptet zum Beispiel, Windräder wären schuld am Klimawandel. Nach dieser Argumentation wären Feuerlöscher schuld an Bränden.
Die Zerstörung der Natur, der damit einhergehende Klimawandel und die immer größer werdende Ungleichheit resultieren aus dieser auf Konsum und Profit ausgerichteten Gesellschaft, die Wirtschaftswachstum als Staatsziel propagiert. Das Wirtschaftswachstum findet seinen Ausdruck im steigenden Bruttoinlandsprodukt (BIP): Wenn jemand mit seinem Auto gegen einen Baum kracht, der Fahrer im Krankenhaus behandelt und das Auto in der Kfz-Werkstatt repariert werden muss, dann steigt das Bruttoinlandsprodukt.
Wenn in jemandes Wohnung ein Brand ausbricht und sich derjenige alle Einrichtungsgegenstände erneut kaufen muss, dann steigt das Bruttoinlandsprodukt.
Wenn Länder gegeneinander Krieg führen und die deutsche Rüstungsindustrie Aufträge für Waffenexporte erhält, dann steigt das Bruttoinlandsprodukt.
Wenn eine Investmentbank pleitegeht und das Gebäude in ein Umweltzentrum umgebaut wird, dann steigt hingegen der Glücksindex.
Unfälle, Katastrophen, menschliches Leid – all das lässt die Wirtschaft wachsen und somit das Bruttoinlandsprodukt steigen. Falls mal wieder jemand vor Gericht steht, weil er Häuser angezündet oder Autos demoliert hat, dann müsste sich derjenige nur darauf berufen, dass er das Wohnungsbauprogramm respektive den Autoabsatz fördern und dadurch das Bruttoinlandsprodukt steigern wollte … – neoliberale Wirtschaftsexperten würden ihm einen Innovationspreis für Wirtschaftsförderung verleihen.
Das Bruttoinlandsprodukt steigt hingegen nicht, wenn sich Menschen um ihre pflegebedürftigen Großeltern kümmern.
Das Bruttoinlandsprodukt steigt auch nicht, wenn Menschen ihren Nachbarn helfen, die Hausarbeit erledigen, ihre Kinder erziehen oder ehrenamtliche Arbeit leisten.
Und das Bruttoinlandsprodukt sinkt nicht, wenn mit den produktionssteigernden Prozessen schwere Schäden einhergehen.
Die Wirtschaft soll immer weiter wachsen; und falls die Wirtschaft in einem Jahr mal nicht wächst, dann bezeichnen Wirtschaftsexperten das als Negativwachstum. Negativwachstum. Den Untergang der Titanic bezeichnen Wirtschaftsexperten wohl als Senkrechtstart.
Mit Ausnahme weniger Jahre ist die Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten immer weiter gewachsen; und das Wirtschaftswachstum brachte den meisten Menschen in den reichen Ländern all die Segnungen des Kapitalismus: Neid, Konkurrenzdenken, Burnout, Depressionen, Übergewicht …
Neoliberale Wirtschaftsexperten behaupten, die Wirtschaft müsste schon deswegen wachsen, damit auch in den armen Ländern der Wohlstand wüchse. Genau. Sich totzulachen ist für die Menschen in den armen Ländern gewiss eine erstrebenswerte Alternative zu dem dort immer noch üblichen Hungertod.
Das Wirtschaftswachstum in den reichen Ländern nützt dem Gemeinwohl nichts. Wenn zwei Menschen vor einem Kuchen sitzen – der eine verhungert, weil er nichts von dem Kuchen bekommt; der andere wird krank, weil er zu viel Kuchen bekommt –, dann brauchen die beiden keinen größeren Kuchen.
Die Wirtschaft in den reichen Ländern muss nicht wachsen, damit auch die Wirtschaft in den armen Ländern wächst. Die Wirtschaft in den reichen Ländern muss aufhören zu wachsen, damit auch die Wirtschaft in den armen Ländern wachsen kann.
Das Wachstum der einen endet dort, wo die Ressourcen der anderen verbraucht werden.
Die Ressourcen der Erde sind begrenzt – genau wie das Weltbild neoliberaler Wirtschaftsexperten.
Es ginge der Gesellschaft ohnehin besser, wenn die Zahl der sogenannten Wirtschaftsexperten sänke. Und im Gegensatz zum sogenannten Negativwachstum wäre das eine Positivschrumpfung.
Das Wirtschaftswachstum in den reichen Ländern nützt nicht der Menschheit; es nützt nur denjenigen, die nach Rendite gieren.
Die Menschen in den reichen Ländern haben die ethisch-moralische Pflicht, ihren auf materiellem Überfluss und der Ausbeutung anderer Menschen basierenden Lebensstandard in dem Maße abzusenken, infolgedessen die Menschen in den armen Ländern fortan den gleichen Lebensstandard haben.
(Mehr zu diesem Thema gibt es unter anderem in den Blog-Beiträgen vom 07.12.2022, 11.12.2021, 30.06.2021 und 10.12.2020).